Offenes Denkmal Fehrbelliner Str. 92 / Public Memorial Site Fehrbelliner Str. 92
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Ehemaliges Jüdisches Kinderheim
Mit seiner 156-jährigen bewegenden Geschichte ist das Haus in der Fehrbelliner Straße 92 ein historischer Ort und ein außergewöhnliches Denkmal. 1864 erbaut, 1910 vom Jüdischen Kinderheim e. V. gekauft und zu einer Kindertages- und Ausbildungsstätte für jüdische Kinder und Jugendliche umgebaut, ist unser Haus ein Ort, an dem wir mit gesammeltem Archivmaterial und Zeitzeug*innen-Aussagen jüdische Geschichte in Berlin für mehr als ein Jahrhundert greifbar machen.
Wir nehmen seit 2007 an den alljährlich im September stattfindenden Denkmaltagen teil. Neben zahlreichen Unterstütz*innen haben in maßgeblicher Weise zwei Personen dazu beigetragen: Inge Franken bis zu ihrem Tod 2012 und Susanne Besch, die seit 1996 im Haus als Mitarbeiterin der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH arbeitet.
Aufgrund der aktuellen Situation mussten wir neue Wege gehen. Daher bieten wir nun allen Interessierten an, Termine mit uns zu vereinbaren und in Kleinstgruppen in die Geschichte unseres Hauses einzutauchen.
Ein Denkmal . . .
Es wurde 1864 als eines der ersten Häuser auf den nördlichen Anhöhen vor den Toren Berlins gebaut. In den ersten 46 Jahren war es ein Wohnhaus. 1910 wurde es vom Jüdischen Kinderheim e. V. zusammen mit einem erheblichen Teil des Nachbargrundstückes gekauft und zu einer Kindertages-und Ausbildungsstätte für jüdische Kinder und Jugendliche umgebaut.
Die heutige Außenfassade lässt nichts ahnen von dem Baustilhaus dieser Zeit, von dem die Besucher*innen erst im Hof überrascht werden. Großzügige Terrassen, Fensterbögen und die malerische Gestaltung einer aufeinanderfolgenden Komposition von Arkade, Balkon und Aussichtsplattform verleiht dem nach Süden gerichteten Teil des Hauses einen mediterranen Charakter (siehe Foto der Hof-Ansicht).
Der weite Blick von oben, den es einst gegeben hat, ist heute verstellt, nur der Fernsehturm scheint zum Greifen nahe. Heute beherbergt das Haus das Stadtteilzentrum Prenzlauer Berg.
. . . und seine Zeitzeug*innen
Der älteste Zeitzeuge, Jakob, hat in den 1920er Jahren gemeinsam mit anderen Jungen und Mädchen den Kindergarten und Hort besucht. Von ihm haben wir erste Anhaltspunkte erhalten, da er die klassische deutsche Literatur in der Bibliothek und den freien Geist des Hauses schätzte. Anfang der 1930er Jahre gab es bereits ein paar Unterkunftskinder wie David, die nur an den Samstagen nach Hause geschickt wurden und am Abend gern in die Obhut des Kinderheimes zurückkehrten, wo sie gut versorgt worden sind. Alle anderen Zeitzeug*innen dieser Jahre waren im Kindergarten oder im Hort.
1936 wurde das Kinderheim wegen der sich zuspitzenden Bedrängnis und Entrechtung der jüdischen Nachbar*innen zu einer größeren Unterkunft umgebaut. Sechs Jahre später, 1942, wurden die letzten Kinder und Betreuerinnen aus dem Haus vertrieben. Ihr Weg führte über das nahe gelegene Manheimersche Altenheim in die verschiedenen Konzentrationslager. Einige von ihnen überlebten die Grausamkeiten.
Entweder waren sie mit dem Kindertransport nach England gekommen, oder sie wurden auf abenteuerliche Weise gerettet, so wie die heute noch in Israel lebenden Zwillinge Ruth und Regina. Abraham Pisarek hat in den 1930er Jahren die Kinder und Jugendlichen mit ihren Betreuerinnen im Haus fotografiert. Seiner Tochter verdanken wir die Unterstützung bei der Verwendung der Fotografien aus seinem Archiv. Im Zusammenhang mit gefundenen Bauunterlagen und vielschichtigen Erinnerungen wurden Aufklärung und Gedenken möglich.